Anett-Maud Joppien/ Jörg Joppien

DER FLUGHAFEN

EINE MOMENTAUFNAHME
VON GESCHWINDIGKEIT




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IDENTITÄT
DES
KORRIDORS
ANATOMIE UND
IMMATERIELLE
VERNETZUNG
UNSCHÄRFE
DER
GESCHWINDIGKEIT

IDENTITÄT
DES KORRIDORS
Ein Blick auf die Regionalkarte beweist : Die Dimension des Frankfurter Airports
ist nahezu identisch mit der Größe der Frankfurter Innenstadt. Der Flughafen als
Ort von Bewegungsströmen, Funktionalität und Präzision, als Durchgangsstation
von Mensch und Fracht ähnelt der Stadt selbst, einer Stadt, die in großen Teilen
zum Sinnbild der rechnerischen Exaktheit des praktischen Lebens mutiert ist und
von Terminen und Kapital geprägt wird.Eher nebensächlich ist daher, ob sich



dieses Phänomen in Form von "horizontalen oder vertikalen Downtowns" entwickelt.
"Die Städte sind für die internationale Wirtschaft fast beliebig
austauschbare Standorte geworden."Angehäuft "befindet sich in der Mitte der Stadt ein Hochhauszentrum, in dem Büros der großen Gesellschaften untergebracht sind. Diese sind der Sitz der Macht, das Befehlszentrum". (1) Obwohl die Organisationsstrukturen des Flughafens denen einer modernen Metropole ähneln, stößt der Flughafen auf Identitätsprobleme. Die Stadt weist komplexere und vielfältigere Strukturen auf, die ein Ausweichen in gründerzeitliche Wohnviertel oder den gemütlichen Mief eines Kiezes garantieren. Gerade hier saugt der urbane Manager Lokalkolorit auf und gibt sich volkstümlich. Die rituelle Verbrüderung vollzieht sich im Dunst einer lokalen Identität. Dagegen steht die Gleichgültigkeit des Passagiers des Interkontinentalknotenpunkts Rhein Main an der Stadt, der Region und der Kultur. Der ´Knoten Flughafen´ fungiert als Drehscheibe, auf der Menschen zu Passagieren werden, die ankommen, umsteigen oder weiterfliegen. Was unterscheidet den Menschen hier noch vom Frachtgut ? Im Flughafen fühlen wir das Gruseln der Stadtvision von morgen : Bilder der Stadt des ´blade runners´. Ein Megamonster, an dessen Klauen sich Riesenjets verkrallen, die Passagiere in einem Gewirr von Brücken, Stegen und klaustrophobischen Aufzugskammern zu den Abschußrampen transportiert werden oder sich durch Parkierungshöhlen tasten, in deren dunklen Rachen das Auto nur über das Parkticket auffindbar ist und so das erlösende Entrinnen über herabspindelnde Röhren sichert. Stereotype Gebäudekörper und Bedarfscontainer füllen die Lücken zwischen mehrgeschossigen Verkehrsschneisen, Orientierungsrastern und feineren Erschließungsnetzen und bilden tiefe Schluchten aus deren Spalten Gerüche und Geräusche undefinierbarer Herkunft dringen. Doch schwillt der sonntägliche Pilgerzug zu den Flughäfen weiterhin Jahr für Jahr an. Angereiste Voyeure verfolgen mit vibrierendem Trommelfell Start und Landmanöwer der Interkontinentaljets, genüßlich Kerosin inhalierend oder baden im Sprachen- und Menschengewirr der Abflughallen mit den ewigen Anzeigetafeln. Die in die Haut der Reisenden geschlüpften Airportpilger erliegen der Faszination der globalen Vernetzung. Der Flughafen als ein Symbol der fast unbegrenzten Erreichbarkeit von Orten löst sich somit aus dem unmittelbaren kulturellen und regionalen Kontext und schafft die komplette Deterritorialisierung.
Ist dies ein anderer Ausdruck von Stadtflucht oder suchen die Pilger gar nach einer anderen Stadt, die ebenso abstrakt ist wie ihre Sehnsucht nach Freiheit ? Dennoch sind Begierde und Abscheu untrennbare Faktoren des Mythos einer ´Airportcity´. Der Flughafen bleibt ein isolierter Baustein - die Vernetzung mit Stadt und Region erfolgt nicht in gleicher Weise wie die der Eisenbahn, die die einzelnen Teile der Region unmittelbar durchtrennt, aber auch erreicht. Im Zug sind Distanz und Geschwindigkeit spürbare, erfahrbare Wahrnehmungsfaktoren, wobei diese in der hermetischen Kapsel eines Jets völlig aufgehoben werden. Im Gegensatz zum Bahnhof sind die "Flughäfen vielmehr die mit Flugkorridoren verbundenen Räume des Fluggebäudes". (2) Der einsteigende Passagier in Frankfurt erreicht London und hat das Raumsystem nicht verlassen. Er ist im gleichen Gebäude geblieben. Die Funktionalität bestimmt seine Struktur und diese kann jedem anderen Kulturkreis entliehen und ausgetauscht werden. Das Beispiel der Flughäfen in Hannover und Moskau, die baulich identisch sind, verdeutlicht, daß ein Passagier lediglich durch den Korridor eines Gebäudes stehend, sitzend ´geflogen´ ist.



Was verankert den Flughafen in das Rhein Main Gebiet ? Was macht ihn typisch für die Region ? Welchen Charakter kann der Rhein Main Flughafen entwickeln, um regionaler zu werden ? Eine umfassende Analyse steht noch aus! Hinzu kommt die unzulängliche Verknüpfung zwischen ´Schiene´ und ´Flugkorridor´. Sollten in einem neuen Terminal zukünftig Bahnhof und Airport verbunden werden, so kauft Hans Mustermann in Mönchengladbach das Flugticket nach Atlanta/Georgia. Die Stadt Frankfurt dient lediglich als Transfer oder Passage - unscharf erahnt der Reisende deren Präsenz.
Damit zeichnet sich ein weiterer Verlust des Airports an Regionalcharakter ab. Wäre es eine Alternative, den ´Ebbelwoi-Airport´ zu propagieren - mit Filialen von so traditionsreichen Frankfurter Lokalen wie einem ´Germania´ oder ´Kanonensteppel´? Ein "neues Interesse an direkter Kommunikation (...) kann man in den Städten beobachten (...). Der öffentliche Raum hat - wenn auch mit anderem Inhalt - eine Renaissance erlebt. Die Leute gehen abends und am Wochenende in die Stadt, weil sie dort andere Menschen sehen und treffen können." Ist die Konsequenz einer solchen Entwicklung ein Abwenden von der Gigantomanie bisheriger, alles überstülpender Ordnungssysteme, hin zu einer neuen Vielfältigkeit ?
Die Planungsverantwortlichen des Flughafens erkennen die vorhandenen, gewachsenen Strukturen und die Wachstumsdynamik des Airports an, die in ihrer zunächst unkenntlichen Ordnung funktionieren. Könnte so, im Gegensatz zu einer aufoktroyierten Planungs- und Architekturordnung, das ´Prinzip´ Chaos eine Grundlage für weitere Planungsstrategien sein ? Das Wunschimage verantwortlicher Planer des Flughafen Rhein Main tendiert zu einer perfekten Technik und atmosphärischer Spannung, so daß neben perfekter Funktion auch der regionale Charakter betont wird. Der Imagetransfer funktioniert aber nach Einschätzung der Flughafenplaner so, daß Frankfurt und seine Region vom Airport profitieren, der Airport jedoch nicht von der Region. Der Flughafen fungiert demnach eher als Prestigeobjekt und Statussymbol der Stadt - nach dem Motto : Wieviel PS hat diese Stadt? Oder vielmehr, was wäre aus Frankfurt und seiner Region geworden, ohne den Magnetismus und der Effektivität des Megaflugbahnhofs ? Die verheißungsvollen Zahlen der Airportkapazitäten führen zu einer vorschnellen quantitativen Überbewertung der Stadt Frankfurt, die im internationalen Vergleich mit mageren 660.000 gemeldeteten Frankfurtern eher einem Großdorf gleicht - immerhin tagsüber zur Millionenmetropole anschwillt, indem sie Ströme von Arbeitsameisen der peripheren Trabanten aufsaugt. Die statistische Artikulation von Power und Potenz trifft sowohl für die Stadt als auch für den Flughafen zu, der als Europameister Gold in der Disziplin Luftfracht und Bronze für die 30 Millionen Passagiere erringt und damit international wettbewerbsfähige Ergebnisse erzielt. Die Suche nach der Identität des Flughafens innerhalb der Region landet angesichts einer einfachen Sinnfindung, die sich in ständig wachsende Statistiken projeziert, zwangsläufig in der Sackgasse. Ebenso scheitert der Versuch sich der Illusion von ´Ebbelwoi-Phantasien´ zu verschreiben, die künstliche Orte implantiert, um die Authentizität mit der Region herzustellen. Denn - könnte nicht über den ´Flugkorridor´ auch in Phönix/Arizona mit dem ´Kanonensteppel´ Identität empfunden werden ?
Haben die Passagen und Korridore des Passagiertransfers innerhalb des Flughafens nicht das Potential die wirklichen Flugkorridore in ihrer Anonymität zu reflektieren - durch immaterielle, virtuelle Räume, die die wahrgenommenen Unschärfen des auf Laufbändern stehenden Menschen wiederspiegeln ? Und sind nicht, wie es Jean Gebser ausdrückt "die festen Beziehungen flexibleren gewichen: Die Berücksichtigung des Zeitelements als Bewegung löst den starren Raum, lockert ihn, bringt ihn zum Fließen; eine Welt der Übergänge und der Zusammenhänge tritt an Stelle der durch bloße Wände abgekapselten Räume; statt einer Teilung erfolgt eine Verschmelzung, und der abstrakte Raum wird zu einem konkreten Raum-Zeit-Kontinuum, das unverhaftet Leichtigkeit ausstrahlt." (3) Gibt es für die Planer nicht doch noch die Chance dem Flughafen zu einer Identität zu verhelfen, indem sie für weitere Plaungsstrategien von der ´Nicht-Identität des Korridors´ ausgehen ?





ANATOMIE UND
IMMATERIELLE
VERNETZUNG
Das klassische Wege- und Straßennetz bildet ein strukturelles System, das an seinen Kreuzungen durch Ausweitungen - seien es Autobahnkreuze (Frankfurter Kreuz) - oder urbane Plätze (Schweizer Platz) - Knoten als lesbare Elemente bildet. Unter Struktur versteht Tournefort "die Zusammensetzung und Zusammenfügung der Stücke, die den Körper bilden" (4), das heißt, daß "die Pflanze und das Tier (...) weniger in ihrer organischen Einheit als durch die sichtbare Heraustrennung ihrer Organe gesehen" werden. (4) Der Flughafen wird durch ein dichtes Netz von Autobahnen und geschützten Waldflächen begrenzt.



Der Zwang zu einer horizontalen Bauweise (Flugsicherheit/Radar) führt zu Verdichtungsmechanismen, in der keine Brachen mehr existieren. Daraus resultieren teilweise vierfache Nutzungsüberlagerungen, die an Metropolen wie Tokyo und New York erinnern. Die Struktur des Flughafens läßt sich auf Overhead Folien in Linien, Netze und Geflechte des Gepäckfördersystems, der Installationstrassen, Hallenebenen, vertikaler und horizontaler Beförderung und Abflugebenen schichten. Dieses Geflecht aus Strängen und Bändern bildet die Anatomie des Flughafens, deren Bedeutung nicht in dem liegt, was gezeigt wird, sondern in dem, was sich verbirgt, und in dem, was durch dieVerschleierung auftauchen kann. Die Anatomie und die Funktionsabläufe bleiben verborgen und der Organismus verschleiert,"um (..) das sichtbare Relief der Formen mit deren Elementen, deren Art der Verstreuung und deren Maßen entstehen zu lassen." (4) Das mehrschichtige Gewebe der Flugstrecken entspricht einem ´nicht körperhaften´ Netz. Die Struktur bildet ein Grid aus dreidimensionalen, sich überlagernder Luftwege, die sogar zeitlich belegt sind und unsichtbar bleiben. Nur die Kreuzungen, die Knoten expandieren in Form von Flughafengebäuden, Start- und Landebahnen. Die Kommunikation funktioniert mit ähnlichen, nicht sichtbaren Mitteln, kabel- und drahtlos werden Informationen ausgetauscht, so wie Passagiere über Flugkorridore in andere Kontinente und Kulturkreise verschoben werden, deren ´Distanzen´ voneinander nicht mehr in Meilen, sondern in Flugstunden und in Währung gemessen werden . Die Möglichkeiten der Geschwindigkeitstechnologien haben gleichsam die Kommunikation ent-körperlicht, der gewohnten Referenzen entfremdet und der wahrnehmbaren Bezüge entzogen. Sind diese unsichtbaren Flugnetze vergleichbar mit den sozialen Gefügen einer Stadt, dem rythmischen Atmen einer Region, den gerichteten Strömen der Pendler oder den Ordnungen der Verwaltung, die fließend und doch festgelegt sind ? Projiziert der Flughafen das voraus, was der Regionalstadt droht ? Daß nur wenige ´Power-Zellen´ die Kommunikation und technische Steuerung übernehmen und der Rest gelenkt wird, ähnlich den hochkonzentrierten Fluglotsen im engen Tower, die über das Schicksal der Reisenden entscheiden ? Können nicht Computertechnik und einige wenige Spezialisten in den Power-Zellen alle Aufgaben bewältigen und so die anderen der non - kommunikativen Tätigkeiten entbinden und von den technischen Zwängen freistellen ? Kann man diesen Weg der ´Optimierung´ gehen? Die Flughafenverwaltung vertritt den Standpunkt, daß die Masse an Aufgaben, die der Knoten Flughafen zu erfüllen hat, nur durch eine Masse vielfältigster Menschen mit vielfältigsten Aufgabenbereichen bewältigt werden kann. Hier wird deutlich, daß moderne Prozesse in zunehmendem Maße den Dialog von Mensch zu Mensch ermöglichen sollten. Die Reurbanisierung der Stadt und das stete Wachsen des Flughafens spiegeln diesen Drang nach direkter Kommunikation unserer Gesellschaft. Die sich entwickelnden, komplexen und vielfältigen Kommunikationsmedien scheinen die sinnliche Wahrnehmung oder vielmehr eine "bewußte Illusion" des wahren Erlebens nicht ersetzen zu können. Denn wenn es um Authenzität geht, dann leben wir in einer simulierten Welt, in der Erleben und Zusammensein als geplantes Konzept, sei dies nun Urlaubsanimation oder ein Straßenfest, inszeniert und ritualisiert wird. Somit ist der Flughafen das perfekte Instrument eines solchen Lebensentwurfes. Die Kommunikationsmedien vermitteln die uneingeschränkte Erreichbarkeit von Orten und die Illusion der Partizipation. Die bereisten Welten sind durch die Vereinheitlichung von Konsum - und Unterhaltungsformeln (Coca Cola everywhere) ebenso simuliert, wie die in allen Medien suggerierten Welten. Somit sind simulierte und virtuelle Welten auch wahre Welten, zwar immateriell und nicht greifbar, aber dennoch existent. "Eine neue Form der face - to - face Präsenz entwickelt sich genauso, wie sich parallel zur Computerisierung eine neue Körperkultur, der ´cyber sex´ entwickelt hat."(Flusser)





UNSCHÄRFE DER
GESCHWINDIGKEIT
Paul Virilio in seinem Buch über die Revolutionen der Geschwindigkeit befragt, ob es für ihn etwas wichtigeres als die Geschwindigkeit gäbe, um unsere Gesellschaft zu analysieren, antwortet: "Nein. Für mich ist die Geschwindigkeit der Analysefaktor Nummer eins."(5) Später spezifiziert Virilio seine Meinung: "Doch ich fürchte, die neuen Technologien treiben uns in einen endgültigen Stillstand. Wenn wir die Welt unter Kontrolle haben können, indem wir bleiben, wo wir sind - durch Bildschirmkonferenzen, Arbeit am Bildschirm zu Hause, Fern-sehen, Fern-hören, Fern-handeln und mit dem Datenanzug überall sein können, obwohl wir hierbleiben, dann wird der Stillstand endgültig." Ebenso können wir auf Distanz töten (...). Die ganze Welt wird zu einer Stadt, zu einer mittelbaren Stadt (cité médiate)".(5) Durch diese Art von ´Mobilität´ bleibt die spürbare, die erfahrbare Zeit stehen, die Gegenwärtigkeit wird aufgehoben. Die Geschwindigkeit der Kommunikation führt den Menschen darüberhinaus an die Grenzen seiner Wahrnehmungsfähigkeit. Führt nicht die simultane Kommunikation einer Person, die beispielsweise im Flugzeug sitzend, von Paris nach New York fliegt, eine Notiz auf dem PC über ein Gespräch in Moskau schreibt, einen Telefonanruf aus Buenos Aires annimmt, einen Hollywood Film nebenbei verfolgt und bei der Stewardess einen Drink bestellt - alles ohne sich zu bewegen, alles auf Distanz - nicht zum Infarkt - zum endgültigen Stillstand? Ist nicht das Flugzeug, dessen Piloten von der Technik ausgetrickst, in ihren Jets über die Landebahn hinwegrollen, schon längst zum Stillstand gekommen ?



Hochtrainierte und hochspezialisierte Piloten oder Fluglotsen - stoßen sie nicht deshalb an die Grenzen ihrer Wahrnehmungsfähigkeit, weil ihr Denkapparat durch die Automatik der Systeme stillsteht? Durch die Anflugsstaffelungssteuerung der Fluglotsen, berichtet ein leitende Flughafenangestellte wird die Arbeit im Tower immer weiter automatisiert und wesentlich erleichtert, der Einzelne erledigt nur Segmente der Arbeit. Überspitzt ausgedrückt bedeutet dies, daß der Flugkapitän in die Rolle des 1. Stewards mit einigen zusätzlichen Überwachungsfunktionen schlüpft und nicht wie in de Saint Exupérys "Nachtfug", der Pilot "die kostbare Fracht Menschenleben, die Augen weit offen und voller Mondlicht, wie ein Hirte" lenkt.(6) ´Man´ wird per Autopilot gestartet und gelandet, so wie viele Nahverkehrszüge nur wegen des Sicherheitsgefühls der Fahrgäste mit einem ´Fahrer´ besetzt werden, jedoch gänzlich automatisch gesteuert werden. Führt die immer höhere Geschwindigkeit zu neuen noch nicht vorhersehbaren Fehlern, zum Stillstand unserer Gesellschaft oder führt sie zu einer anderen Wahrnehmungsweise, die unsere Gesellschaft verändert ? Entsteht so die cité médiate, die global city - die Regionalstadt - die Raumstation, wie sich auch "der Lebensraum durch das Fliegen in den kosmischen Raum ausdehnt und der Planck´sche Raum greift als Cyberspace in den Lebensraum über."(2) "Durch das Fliegen und die Raumfahrt sind wir gezwungen, dreidimensional zu denken, obwohl wir uns drei Dimensionen kaum vorstellen können."(2) Das Scheitern dieser Vorstellung beginnt bei der richtigen Einschätzung des Inhaltes einer gefüllten Badewanne. Die Geschwindigkeit hat für unsere Wahrnehmung schon immer Unschärfe bedeutet. Nur das Ziel, wie die Straße vor dem Autofahrer, hebt sich klar hervor, alles andere verschwimmt. Sind diese Nebensächlichkeiten, diese Unschärfen am Rande, an den Peripherien, die sich zu neuen Gebilden schichten, nicht interessanter als die in sich gerichteten Mitten ? Die Wahrnehmung ändert sich in unserer Gesellschaft wohl eher dahingehend, daß diese nicht zum Stillstand kommt, getreu dem Motto, ´ich gehe von a nach b und dann Ende´, sondern daß man ein Netz von Wegen erkennt, auf dem man sich ungeahnt frei bewegen kann, das man jedoch immer unschärfer wahrnimmt. Wir scheinen in der Phase der globalen Gleichzeitigkeit zu leben, "in der der ´Raum´ in der Geschwindigkeit der Raumüberwindung aufgehoben erscheint"(7) und sogar die "Enträumlichung sozialen Verhaltens" (8) prognostiziert wird. Die Synchronisierungstendenzen internationaler Unternehmen, die sich aller nur zur Verfügung stehenden Distanzüberwindungstechnologien bedienen, reiben sich mit dem sozialen Zeit- und Lebensrhythmus einer regional oder lokal orientierten Lebenswelt. "Durch die beschleunigte Entwicklung von Raumüberwindungstechnologien werden ´Raumdistanzen´ in der Tat auf immer kürzere ´Zeiträume´ reduziert" (7), so daß Sonnemann infolge der Aufhebung von Distanz von einer "gelungenen Entmachtung des Raumes" (9) spricht. Motorisierung und Geschwindigkeit sind zum unumstößlichen Leitbild von Befreiung unserer Gesellschaft geworden. Es scheint, als habe die Technisierung den Zeitbegriff gewandelt und die Geschwindigkeit zur Bedingung gemacht. Die menschengeschaffenen Zeitsymbole wie der Kalender und die Uhr determinieren das gesellschaftliche und individuelle Leben."In dem unentrinnbaren Netzwerk sozial institutionalisierter Zeitbestimmungen" (7) verstrickt sich der Mensch in der Angst vor toter und vergeudeter Zeit, die,"wie ein Schnellzug auf offener Strecke hält und plötzlich die Minuten keine vorbeisausenden Felder mehr liefern (...) und (...) der große Zeiger der Wanduhr jetzt einen toten Sektor beschreibt: Was hätte nicht alles Raum finden können an Geschehen in dieser Lücke." (6)



Im Gegensatz dazu die gebündelte und gesparte Zeit, in der "die Sekunden wie Blut verrinnen und jede Sekunde eine Chance mit sich fortnimmt. Es ist, als sähe man die Zerstörerin Zeit an der Arbeit. Als sähe man dieselbe Kraft, die in zwanzig Jahrhunderten einen Tempel überwältigt, sich ihren Weg in den Granit bahnt, hier, auf Sekunden zusammengedrängt und ihr Werk an Menschen und ihrem Flugzeug verrichten." (6) Foucault vertritt die These, daß wir in der Epoche des Raumes leben, in der Epoche des Simultanen und der Juxtaposition,"in der Epoche des Nahen und des Fernen, des Nebeneinander, des Auseinander. Wir sind (...) in einem Moment, wo sich die Welt weniger als ein großes, sich durch die Zeit entwickelndes Leben erfährt, sondern eher als ein Netz, das seine Punkte verknüpft und sein Gewirr durchkreuzt."(10) Bietet eine solche Struktur, unscharf wahrnehmbar, nicht neue, ungeahnte Perspektiven?







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Anett-Maud Joppien und Jörg Joppien - Freie Architekten und Stadtplaner in Frankfurt/Main und Berlin


Fotografien:

Andreas Süß - arbeitet auf dem Gebiet der künstlerischen Photografie in Berlin